Hilfe, wie komme ich aus der Erziehung mit meinen eigenen Eltern raus ?

 

Perspektivenwechsel die Zweite

Die Feiertage stehen bevor und mit ihnen häufig das feiertägliche Zusammensein mit den Herkunftsfamilien, sprich den eigenen Eltern, den Schwiegereltern und eventuell weiteren Verwandten. Vielerorts geht es bei Familientreffen leider nicht sehr entspannt zu. Das Konfliktpotential ist groß, vor allem dann, wenn Du mit Deinem Kind „anders“ umgehst als Deine Familie es kennt oder es selbst macht bzw. gemacht hat.

Und, Überraschung, bisweilen bist ja Du eben dieses Kind (bei Deinen Eltern oder Großeltern oder Tanten, Onkels..) und aus Dir ist ja auch was geworden …. wo dann auch irgendwie mit drin steckt, dass Du diesen „Nachweis“ mit Deinem Kind quasi erst erbringen mußt, sprich besser erst nochmal die nächsten 10-20 Jahre den Mund halten solltest. Und überhaupt, Du hast ja Dein Kind gar nicht „im Griff“, das kann sich „nicht benehmen“, dann schau erstmal da… Kennste, oder?

(Auf die Sache mit dem Benehmen werde ich an anderer Stelle eingehen, versprochen)

Also, die Situation ist meist ziemlich stark emotional aufgeladen, von allen Seiten.

Zwei Seiten – Gegensätze

Versuche, Dich in die Großeltern hineinzuversetzen. Sie meinen es letztlich „gut“ mit Dir und Deinem Kind. Sie denken, ein Kind braucht Erziehung. Das ist ein riesiger Perspektivenwechsel, der da dahintersteht, und den gilt es freiwillig zu machen, nicht gezwungenermaßen. Das funktioniert nicht.

Wie Du mit Kindern umgehst, wenn Du auf Erziehung verzichtest, stellt vieles von dem, was man sehr lange über Kinder dachte, auf den Kopf – mit allem Schmerz, der da dahinterstehen kann: denn manchmal merken wir dann (oder eben auch die eigenen Eltern), wie wir selbst als Kind nicht gehört oder übergangen wurden, unser eigenes „inneres Kind“ oder das der Großeltern meldet sich zu Wort.

Provokation!

Zudem sind die Großeltern vermutlich ja mit zwei Vorstellungen am Start: früher hat man ungefähr die Erziehung und alles mögliche andere vom Vorbild der Eltern übernommen, hatte teilweise auch keine anderen Vorbilder. Internet gab es noch nicht, dafür sind viele selbst oder ihre Eltern nach Haarer, Hetzer und Co erzogen worden, ihr System hat das verinnerlicht. Oder man hat völlig rebelliert, sh. 68er. Zudem gehen sie ja davon aus, dass sie diejenigen sind, die Erfahrung damit haben, Kinder großzuziehen, Du und Dein Mann so schlecht nicht geraten sind (naja, bis vielleicht auf das ihr jetzt auf etwas abwegigen Erziehungsideen seid, aber das wissen sie nunmal besser als ihr, sind ja älter und so), ergo ihre „Standards“ funktionieren aus ihrer Sicht.

Was passiert also, wenn Du diskutierst? Oder es „einfach nur“ anders machst ? Das Wesen von Erziehung ist es, irgendwie einen Weg zu haben, zu wissen, „wie es geht“, wie man sein muß, was man „tun muß, damit“. Das greifst Du an, wenn Du es anders machst. Durch Deine bloße Existenz quasi, durch Dein Tun. Ich habe das lange nicht verstanden, dachte und sagte immer, daß ich die anderen ja gar nicht überzeugen oder gar überreden will, dass wir einfach nur tun, was sich für uns passend anfühlt. Und das ist schließlich auch etwas, bei dem Du recht wenig beitragen kannst, es sei denn, Du (oder der andere) würdest Dein Leben anders führen, was ja ggf. bedeuten würde, sich selbst zu verraten. Du stellst das alles in Frage.

Übe Dich im Annehmen

Teilweise werden dann auch Bücher oder Artikel gegenseitig verteilt – in bester Absicht, aber wenn das nicht vom Gegenüber nachgefragt wird (was ja in diesen Konfliktsituationen selten der Fall ist: „gib mir doch mal was zum Lesen, warum es ok ist, wenn kleine Kinder nicht mit am Abendbrottisch sitzen…“), birgt es auch wieder Konfliktpotential – und kann ggf. auch übergriffig oder erzieherisch sein.

Was Du aber tun kannst, ist sie ebenfalls sein zu lassen. Sie anerkennen in dem Bemühen, nach bestem Wissen und Gewissen das aus ihrer Sicht Richtige zu tun und getan zu haben. Ohne Überheblichkeit und Mission. Zudem kannst Du das auch als eine Art der Einladung zur Kommunikation betrachten – wenn diese Einladung auch genau wie eine Bitte abgelehnt werden kann und das ok für Dich ist. Verfalle nicht da hinein, nun Deinerseits Deine Angehörigen oder die Schwiegermama erziehen zu wollen 😉

Hinzu kommt, dass gerade mit Angehörigen anderer Generationen vieles ja Deiner Beziehung mit ihnen entstammt und sich dann mit Deinem Blick darauf mit der Beziehung zu Deinen Kindern vermischt. Denn dann geht es ja um die Beziehung Deiner Kinder mit ihnen. Hier gibt es eine neue und ganz eigene Chance – zwischen Deinen Kindern und ihren Großeltern oder sonstigen Verwandten –  zur Begegnung und es ist gut, wenn Du das (zu)lassen kannst.

Dein Kind ist kompetent

Du wirst manchmal feststellen, dass sie auch ihren eigenen Umgang finden – das Deine Kinder vielleicht auch ganz anders reagieren auf etwas, was Du als Kränkung oder Angriff erlebt hast. Denn sie sind zum einen im Idealfall unbelastet von den Themen, die Du mit Deinen Eltern hattest und vielleicht noch hast, zum anderen haben sie etwas, das Du als Kind unserer Generation normalerweise nicht hattest: nämlich Dich als Elternteil als schützende, rückendeckende, stärkende „Instanz“ dazwischen.

Auch dort sind verletzte Kinder

Es ist auch eine Chance für Deine Beziehung zu ihnen. Wenn Du einen Schritt zurücktrittst, von außen schaust – es gibt nicht nur das verletzte innere Kind in Dir, sondern auch in ihnen. Themen, die angeschaut werden wollen. Und wo war das Gute in dem, was sie gemacht haben ? Bereits damals ? Aus welchen Umständen heraus haben sie gehandelt ? Aus welchen Gedanken heraus tun sie es heute ? Das macht einen Raum auf, jenseits von Kritik und Unverständnis.

Aber auch: Schutz !

Und natürlich, klar – wenn Dein Kind in Not zu geraten droht, wenn übergriffige Handlungen da sind, mußt Du es schützen. Da bist Du gefragt, eine klare Grenze zu ziehen und zu signalisieren „Das geht nicht“.

Auch hier gilt das bisher Geschriebene – mache den Raum auf, sie kennen es meist nicht anders und sie haben ihre Gründe für das, was sie tun. Perspektivenwechsel sind aber eben auch Prozesse, die ihre Zeit brauchen, denn es ist ja lange anders gewesen.

Wünschst Du Dir Unterstützung bei Deinen persönlichen Prozessen? Bist Du Dir unsicher, wie Du mit diesen Themen umgehen kannst?

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Fotonachweis: Fotolia Datei: #109895858 | Urheber: DDRockstar

 

5 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Birgit Assel am 24. Dezember 2017 um 02:52

    Liebe Lena,
    du hast vollkommen Recht mit deinem Gedanken des Perspektivwechsels. Doch dieser Perspektivwechsel sollte nicht einseitig sein.
    Das Problem, was viele erwachsene Kinder haben, dass sie in Gegenwart ihrer Eltern wieder „klein“ werden, sich wieder ausgeliefert und nicht gehört fühlen.
    Von daher ist es wichtig, die eigene Geschichte mit seinen Eltern so gut wie möglich verarbeitet zu haben um ihnen heute als erwachsene Menschen authentisch ein Gegenüber zu sein. Und sich auch abzugrenzen, bzw. ein Stop zu setzen, wenn die eigenen Integrität angegriffen oder verletzt wird.
    Aus meiner therapeutischen Praxis weiß ich, dass das ein unglaublich schwerer Schritt ist, weil in uns immer der Wunsch ist, von unseren Eltern geliebt zu werden…Die Kritik der eigenen Eltern an uns trifft uns in der Regel sehr viel härter, als die Kritik von anderen Menschen…

    Ein Perspektivwechsel ist nach meiner Erfahrung erst möglich, wenn ich die Traumata meiner Kindheit so gut wie möglich integriert habe…Dann kann es gelingen, den Eltern gegenüber in einer erwachsenen Haltung zu bleiben und die eigenen Kinder vor Übergriffen zu schützen.

    Dies nur als Anmerkung und auch nur bezogen auf das, was ich in meiner therapeutischen Praxis erlebe 🙂

    • Veröffentlicht von Lena am 24. Dezember 2017 um 13:53

      Liebe Birgit,
      da hast Du vollkommen recht und da sollte ich wohl auch noch was im Artikel ergänzen, auf keinen Fall sollte der Perspektivwechsel einseitig sein.
      Aus der Erfahrung im Coaching und gerade in der Begegnung jetzt im Umgang mit dem eigenen Kind kann es manchmal in der Verständigung helfen, der Versuch des Blicks darauf, warum die ältere Generation so denkt oder handelt. Oft wurden die eigenen Eltern ja als Neutrum ohne Unsicherheiten oder als allmächtig wahrgenommen, gerade wenn (stark) erzogen wurde.
      Allem, was Du schreibst, stimme ich voll zu. Die Abgrenzung ist superwichtig. Nur manchmal bleibt es dann in dieser „hängen“, in Abgrenzung und Wut, und dahinter liegt die Chance auf – zumindest eine gewisse – Verständigung.
      Alles Liebe

  2. Veröffentlicht von Ria am 21. April 2018 um 12:48

    Liebe Lena, ein spannender Artikel, vielen Dank.
    Ich frage mich manchmal, wie mit Eltern umgehen, die keine Toleranz zeigen und auch die Kids nicht wirklich hin wollen…dabei sehen wir sie nur ein- zweimal im Jahr. Es ist sehr herausfordernd. Ich denke dann, dass ich mit meinem neuen Weg ja der Beziehung zwischen Kids und Grosseltern nicht im Weg stehen will, aber ich kann Beziehung auch nicht „machen“ und nur Pflichtbesuche…hmmm, das kann es ja auch nicht sein 😉
    Und dann wieder die Frage: Wer sagt eigentlich, dass es funktionieren muss? Sonst würde man ja auch nicht freiwillig Menschen treffen, mit denen man nicht zurecht kommt. Und doch ist s etwas anderes…ich merke das Thema ist sehr vielschichtig, Auch mit Perspektivwechsel 😉

  3. Veröffentlicht von Linda Lille Kaschotter Anders am 24. Dezember 2018 um 09:13

    Liebe Lena.

    Ich wünsche dir und deiner Familie eine schöne Weihnachtszeit!

    Und ich danke dir für für diesen wunderbaren Artikel. An zwei Punkten stiegen mir Tränen in die Augen. Das ist gut so. Das zeigt mir wieder wo ich stehe.

    Ich unterschreibe deine Idee, dass wir nicht nur an Abgrenzung und Schutz denken sollten. Das war für eine Weile gut, aber hat auch mich von meiner Herkunftsfamilie getrennt. Dann kam der Wendepunkt. Durch mehr Offenheit und Akzeptanz (die ich von meiner Familie mir gegenüber ja auch erwarte) fanden wir wieder zueinander. Heute akzeptiere ich, dass sie mich behandelt haben, wie sie es taten. Und ja, es ist ja ein wunderbarer Mensch ebtstanden. Dass mich dies an manchen Stellen so viel Kraft kostet, laste ich nicht ihnen an. Denn so bitter es manchmal erscheint, hat auch dies einen Sinn.

    Meine eigene Familie schützen zu wollen ist noch groses Thema. Einerseits weiß ich, dass wir als Eltern da sin als Schutz und eine gute Grundlage bauen konnten. Andererseits möchte ich meinem Kind jegliche Provokation oder Herabsetzung ersparen. Kann ich mal nicht schnell genug reagieren, sehe ich mittlerweile, dass auch ein Dreijähriger Mensch sich selbst zur Wehr setzen kann. Hierauf werde ich mehr und mehr vertrauen. Dass mein Kind ein sicheres Zuhause hat, schützende Eltern und eine tiefe Selbstzufriedenheit. Dann kann ihm ein gelegentlicher Familienbesuch nicht umwerfen.

    Danke für deinen Artikel und deine Inspiration!!

    Herzlich Linda

    • Veröffentlicht von Lena am 24. Dezember 2018 um 12:43

      Von Herzen gerne, liebe Linda ! Das kommt ja auch noch hinzu: unsere Kinder haben uns im Rücken – das war ja in früheren Generationen oft nicht so.
      Und letztendlich – jeder macht so gut, wie er oder sie gerade kann… das ist natürlich nicht immer genug, aber doch auch tröstlich.

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